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Erwachsen werden - der Arztwechsel

Interview mit Dr. Lueg zum Arztwechsel

Vom Kinderdiabetologen zum Erwachsenendiabetologen

Herr Dr. Lueg, in welchem Alter kommen die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen typischerweise zu Ihnen?
Früher habe ich auch Kinder behandelt, da es keinen Kinderdiabetologen gab. Heute kommen die meisten Patienten mit 16 oder 17 Jahren das erste Mal zu mir in die Praxis.

Wie sähe ein idealer Wechsel vom Kinderdiabetologen zu Ihnen aus?
In Hameln haben wir seit 2 Jahren ein Modell, das ich ideal finde. Wir setzen uns zu dritt: der Kinderdiabetologe, der Patient und ich für 20 min zusammen und besprechen den bisherigen Verlauf der Erkrankung, die Therapie und weitere Besonderheiten. Die notwendigen Unterlagen werden übergeben. Der junge Patient fühlt sich meistens wohl, wenn er den Übergang spürbar und sichtbar wahrnehmen kann. Danach steht oft eine lebenslange Arzt-Patienten-Beziehung, die diesen Aufwand rechtfertigt.


Ist der Wechsel in die Erwachsenenmedizin für die Jugendlichen ein Risiko oder eine Chance?
Ich würde sagen, es ist kein Risiko, wenn eine geschlossene Übergabe erfolgt (s.o.) und die Rücksprache mit dem vorherigen Behandler jederzeit möglich ist.Es kann eine Chance sein, da der neue Arzt noch keine Form des Patienten im Kopf hat und sich dieser nun von seiner gereiften, erwachsenen Seite zeigen kann oder einfach von einer anderen Seite wahrgenommen wird. Außerdem wird zu Beginn nochmal die "Messkette" durchgegangen, um mögliche Fehler aufzudecken, was aus Routine vorher vielleicht nicht mehr gemacht wurde.
Im Einzelfall kann das natürlich anders sein und der Übergang bedeutet eine richtige Zäsur. Manchmal passt der Arzt nicht zu dem Patienten oder umgekehrt, sodass kein Vertrauen entsteht. Dann sollte es offen angesprochen werden und die nötigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Bisher habe ich diese Situation glücklicherweise noch nicht erlebt.

Was sind die häufigsten Probleme, die auftreten?
Das häufigste therapierelevante Problem bei Diabetes ist die Spritzverweigerung. Die jungen Patienten haben keine Lust, sich 3x pro Tag oder öfter zu stechen. Sie lassen dann einfach ein- oder zweimal aus.
Dann kommen noch kleinere Probleme vor, wie man hat gespritzt, es aber nicht aufgeschrieben oder nicht, was man davor bzw. danach gemacht hat. Teilweise kann man dann aus der Geräteauslesung die fehlenden Daten holen. Bei kleinen Fehlern muss man auch mal fünfe gerade sein lassen.

Worin unterscheiden sich die jungen Erwachsenen/Jugendlichen von Ihren älteren Patienten?
Jugendliche zwischen 16 - 20 Jahren sind gerade noch in der Entwicklung. Sie befinden sich körperlich, geistig und beruflich im Umbruch. Es stehen Prüfungen, Abschlüsse und sexuelle Erfahrungen an. Das hat auch einen Einfluss auf die Therapie.
Jugendliche bewegen sich im Schnitt aber auch mehr bzw. sind leichter für Bewegung zu begeistern. Sie sind noch nicht so fest in bestimmten Schemata, sodass Verhaltensänderungen einfacher sind. Außerdem haben Jugendliche einen stärkeren Bezug zu Technik. Sie wollen ihren Blutzucker messen und die Unterlagen nachher ausdrucken oder auf dem Smartphone speichern.
Insgesamt zeigen Jugendliche eine große Bandbreite an Verhaltensweisen - sie sind eine sehr variable Gruppe.

Wie können Eltern die Behandlung unterstützen oder erleben Sie diese eher als störend?
Die meisten Jugendlichen kommen mit Eltern, das ist aber kein Muss. Für das erste Treffen empfinde ich es als hilfreich, auch die Eltern oder zumindest einen Elternteil kennen zu lernen, um das Beziehungsverhältnis in der Familie einschätzen zu können. Meist haben die Eltern eine lange Zeit eine wichtige Rolle in der Therapie übernommen, sie teilweise komplett gelenkt. Die Übergabe der Therapieverantwortung an den Jugendlichen fällt dann nicht immer ganz einfach.
Es ist wichtig, zu erfahren wie selbständig die Jugendlichen sind, nicht nur von meinem Kollegen, sondern auch von den Eltern und natürlich von meinem Patienten.
Teilweise befinden sich die Jugendlichen mit 16 oder 17 nochmal in einem pubertären Schub, sodass die Eltern vollkommen hilflos sind, auch dann kann es sinnvoll sein, die Eltern dabei zu haben.

Was ist Ihnen noch wichtig?
GANZ WICHTIG für den Übergang ist der Austausch zwischen Kinder- und Erwachsenenfacharzt. Wenn der gut klappt und die Konzepte einander ähneln, ist der Übergang kein Bruch, sondern das Gefühl der Geborgenheit bleibt erhalten.

Vielen Dank für das Interview!

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